Ein Artikel von Elisabeth Schaper
Kennst du das auch? In deinem Umkreis sind Menschen mit Sorgen, wirklich schweren ernsten Sorgen. Sorgen um das Fortbestehen unserer Erde, Sorgen um die nächste Monatsmiete oder einen schweren Verlust. Sorgen, die wir zwar einerseits nachvollziehen können, für die wir aber andererseits keine Lösung haben. Gerade wenn es sich um Menschen handelt, die uns wichtig sind, besteht oft der Wunsch, sie unterstützen und entlasten zu wollen. Gleichzeitig ist da aber noch das eigene Leben, sind da eigene unerfüllte Bedürfnisse und vielleicht noch Kinder, die uns brauchen.
Wenn wir privat oder beruflich auf Menschen treffen, die Sorgen und Ängste haben, für die es weder eine schnelle, noch eine langsame Lösung gibt, die viel Leid erlebt haben, das nicht einfach wieder gutzumachen ist, führt dies häufig zu einem Gefühl der Ohnmacht. Der Wunsch zu helfen und die Erkenntnis, das Leid der Betroffenen nicht ungeschehen machen zu können, kann lähmen und dazu führen, dass man selbst immer erschöpfter und trauriger wird.
Gerade in Momenten, in denen „Pflaster drauf und gut“ nicht klappt, gibt es aus meiner Sicht eine Sache, die wir dennoch tun können: Zuhören. Klingt zu einfach, um wirklich hilfreich sein zu können? Ich sehe das anders.
Wenn ich vom Zuhören spreche, dann meine ich dieses ganz besondere Zuhören - das den rein körperlichen Vorgang des Hörens um wirkliche Hinwendung und Aufmerksamkeit ergänzt. In diesem vermeintlich so selbstverständlichen und einfach umsetzbaren Vorgang steckt für mich eine besondere und heilsame Kraft. Wirkliches Zuhören schafft Verbindung und Kontakt und stärkt dabei auch die zuhörende Person.
Zuhören braucht Raum
Der Zauber des Zuhörens braucht Raum. Einen äußeren Raum, wie ein ungestörtes Zeitfenster und eine ruhige Umgebung. Ergänzt wird dieser durch einen „inneren Raum“, eine wirkliche, innere Freiheit und die bewusste Entscheidung: „Ja, jetzt möchte ich für dich da sein, dir bewusst zuhören und mich für dein Thema öffnen.“ Dazu gehört das Bewusstsein, dass wir das Thema oder die Sorgen nicht lösen, ja noch nicht einmal Lösungsideen anbieten müssen. Mit dem inneren Raum, als Grundlage für ein wirkliches Zuhören, beschäftigt sich auch die Gewaltfreie Kommunikation. Der innere Raum wird häufig als eine innere Leere, eine gefühlte Offenheit und Bereitschaft, wirklich hinzuhören beschrieben. Hinzuhören auf den Inhalt, der gesagt wird und auch auf das, was beim Gesagten mitschwingt und wofür das Gegenüber möglicherweise keine Worte findet. Ich finde, es lohnt sich, den eigenen inneren Raum zu erforschen und ihn besser kennenzulernen.
Der Liedermacher und Mediator Pascal Gentner beschreibt die mögliche Wirkung von Zuhören in dem Lied “Wenn du mir zuhörst”:
"Wenn du mir zuhörst
einfach nur zuhörst
dann verschwindet der Nebel in meinem Kopf
und du hilfst mir klarer zu sehen
und du hilfst mir zu verstehn
dann bin ich dir näher als tausend Worte
es jemals beschreiben könnten
dann geh ich mit dir an tausend Orte
von denen wir beide nichts ahnten
löst sich etwas in mir und macht sich auf den Weg
bin ich näher an dem was in mir lebt."
Eine Kurzanleitung
Mit dem Herzen hören
„Man hört nur mit dem Herzen gut“ - frei nach dem kleinen Prinzen. Wenn du dich innerlich von deinen eigenen Gedanken frei machst und dein Herz für das, was dein Gegenüber bewegt und dir mitteilen möchte, öffnest - dann kannst du zuhören.
Mehr als Zuhören
Zuhören ist mehr, als einfach nur still zu sein. Blickkontakt, Nicken oder ein „Hmmm“ signalisieren deinem Gegenüber, dass du mit deiner Aufmerksamkeit präsent bist.
Unterbrechen um Zuzuhören
Marshall Rosenberg, Begründer des Konzeptes der Gewaltfreien Kommunikation, sagte: „Höre nicht ein Wort mehr, als du bereits bis zu hören.” Zum aufmerksamen Zuhören gehört also auch das Unterbrechen: Wenn dein Gegenüber sehr schnell redet, viele Informationen teilt oder sich wiederholt, kannst du vielleicht nicht mehr folgen.
„Du entschuldige, ich möchte dir gerne mit meiner ganzen Aufmerksamkeit zuhören und das geht gerade nicht mehr. Ist es ok, wenn ich wiederhole, was ich verstanden habe?“
Eine Unterbrechung, wie „Du entschuldige, ich möchte dir gerne mit meiner ganzen Aufmerksamkeit zuhören und das geht gerade nicht mehr. Ist es ok, wenn ich wiederhole, was ich verstanden habe?“, kann in der Situation hilfreich sein, um in Verbindung zu bleiben.
Anschluss halten
Frage dich immer wieder, ob du noch im Kontakt mit deinem Gegenüber bist und weiterhin genug inneren Raum zum Zuhören hast oder ob du eine Pause brauchst. Wertschätzendes Zuhören bedeutet, dem Gegenüber mitzuteilen: “Du bist mir wichtig, was du sagen willst, ist mir wichtig und um dir weiter aufmerksam zuzuhören, brauche ich eine Pause.”
Ausprobieren
Probiere es aus: Das nächste Mal, wenn dir jemand etwas erzählen möchte, versuche bewusst zuzuhören, dein Herz für dein Gegenüber zu öffnen, da zu sein und zu lauschen. Ohne Kommentare, ohne Tipps oder Bewertungen. Vielleicht nimmst du dir am Anfang eine Uhr und versuchst, fünf Minuten lang zuzuhören und deinem Gegenüber den Raum zu geben, wirklich gehört zu werden.
Wirkliches, authentisches Zuhören kann viel bewirken. Wir können die Sorgen und das Leid der Betroffenen nicht ungeschehen machen, aber wir können unserem Gegenüber zeigen: “Ich höre dich, ich höre dein Leid und deine Sorgen und ich bin einfach da und zwar von Herzen.” Schon das verändert etwas.
Elisabeth Schaper ist Diplom-Betriebswirtin und ausgebildete Supervisorin. Sie begleitet Teams und Führungskräfte im sozialen Bereich und unterstützt sie bei einer wertschätzenden Führung auf Augenhöhe. Die faszinierende Wirkung einer gewaltfreien Haltung und Sprache kennt sie seit 2015. Seitdem übt sie sich darin, diese Haltung in ihr Leben zu übernehmen und in ihre Arbeit einfließen zu lassen.
Website
Comments