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Musik mit Kindern

Matthias Meyer-Göllner ist Musikpädagoge, Komponist und Kinderliedermacher. Er hat sich die Zeit genommen und mit uns über die Wichtigkeit von Musik mit Kindern in der Kita, den Mut, den es manchmal braucht als Fachkraft und wie sich das Musizieren über die Jahre verändert hat gesprochen.


Quelle: www.meyer-göllner.de


Warum ist Musik mit Kindern so wichtig?

Ja, wie viel Zeit haben wir? *lacht* Das ist einfach so grundlegend und so wichtig. Die musikalische Intelligenz ist eine Fähigkeit, die alle anderen Fähigkeiten integrieren kann, weil sie neurologisch im Stammhirn angesiedelt ist und somit alle möglichen Entwicklungen voranbringen kann. Das fängt an bei den ganz kleinen Kindern und ihrersensomotorischen Integration, bei der Musik helfen kann. Das gilt nicht nur für Kinder, auch nachher im hohen Alter, wenn das Gehirn an Leistungskraft verliert, kann die Musik helfen wieder Verbindungen zu schaffen. Musik schafft Verbindungen, sowohl im Menschen, als auch - und das ist für uns wichtig - zwischen den Menschen.


Worauf achtest Du bei der Auswahl der Lieder?

Dabei ist mir am wichtigsten die Kinder ernst zu nehmen. Das heißt, ich versuche nicht irgendwas zu machen und sag dabei: “Das ist ja nur für Kinder, das wird schon reichen,” sondern im Gegenteil.

Ich versuche Kinder ernst zu nehmen und versuche etwas zu schaffen, was mir genauso gefällt wie den Kindern.

Sie müssen es ja nicht auch gut finden, das auf keinen Fall, aber dass sie zumindest erleben “Aha, der findet das gut. Irgendwie ist es ja vielleicht interessant für mich oder auch nicht.” Wie integriert man die Musik in den Kita-Alltag?

Zum Glück ist Musik immer noch ein sehr wichtiger Faktor. Es gibt da eine Initiative von dem berühmten Dirigenten Daniel Barenboim, der “Erziehung durch Musik” postuliert hat. Also, dass Musik als Unterrichtsprinzip eingeführt wird. Davon ist man in der Schule leider immer noch sehr weit weg, obwohl es da auch schon Versuche gibt. In der Kita ist man zum Glück ein bisschen näher dran, weil das Singen und das Musikmachen da schon zum Alltag gehören und wichtig sind. Da renne ich in Kitas meistens offene Türen ein, wenn ich sage, man kann in jeder Situation singen. (...) In der Schule muss man die Leute da schon noch mehr überzeugen, dass es ein richtiges Unterrichtsprinzip ist und wäre.


Meine nächste Frage wäre auch gewesen, ob die meisten Einrichtung Musik im Alltag integriert haben, aber das ist dann wohl der Fall so wie ich das gerade raus gehört habe, oder? Unterschiedlich und das hängt natürlich auch immer von von einzelnen Personen ab. Es gibt auch Leute, die haben den Zugang vielleicht noch nicht so gefunden, weil sie traumatische Erlebnisse gehabt haben und können deshalb da nicht so mit umgehen wie andere, für die das Singen und das Spielen auch sonst irgendwie selbstverständlich zum Alltag gehört.


Wie sieht es mit den Hürden im Bezug auf musizieren bei den Fachkräften aus?

Schade finde ich eine Tendenz, die es leider auch gibt, dass man das Musizieren auf Spezialisten abschiebt und, dass man sagt: “die Musik macht ja der, der Gitarre spielen kann und deshalb mache ich das lieber gar nicht.” Das ist für Erzieher:innen und pädagogisches Fachpersonal eine ganz wichtige Sache, dass das eben auch zur alltägliche Arbeit gehört.

Das heißt, man muss nicht unbedingt ein Instrument spielen oder Noten lesen können, um in der Kita Musik zu machen? Keinesfalls! Das ist ja auch das, was ich versuche, mit meinen Veranstaltungen zu erreichen. Die Menschen sollen sich alle irgendwie zutrauen was mit Musik zu machen, unabhängig von ihrem musikalischen Vorbildungsstand.


Wie wichtig findest Du es, dass die Kinder auch zu Hause mit den Eltern singen? Spielt das auch eine große Rolle oder ist es eher nebensächlich, wenn in der Kita viel Musik gemacht wird?

Nein, das ist natürlich total wichtig. Das ist aber leider auch dass, was das große Problem ist: Es findet immer weniger statt. Ich bin noch zu Hause in einer Familie, die jetzt keine Musikerfamilie oder so war, aufgewachsen, aber da wurde zumindest zu bestimmten Anlässen irgendwie auch gemeinsam gesungen. Das gehörte noch zum allgemeinen Kulturgut dazu. Ich habe das Gefühl, dass mit fortschreitender Verkonservierung der Musik, also angefangen hat es eben mit Platten und CDs und heutzutage ist Musik noch viel allgegenwärtiger als noch vor 20 Jahren, das eigene aktive “Alltagssingen” doch stark zurückgegangen ist. Umso wichtiger ist deshalb, dass das Musizieren in den beruflichen Feldern, wie Kita, am Leben gehalten wird und, dass man vielleicht sogar Initiativen ergreift um Mut zu machen mehr zu singen.

Apropos Mut machen: Wie laufen Deine Seminare ab?

Das sind ja bei mir vor allen Dingen Praxisseminare. Also es gibt auch immer einen theoretischen Teil zu den bestimmten Themen, den deute ich aber in der Regel nur an. Die Vertiefung ergibt sich dann aus dem Material. Bei den Seminaren probieren wir selber aus Musik zu machen, zu singen und praktisch das zu erproben, was man später mit den Kindern machen kann.

Was passiert mit den Fachkräften bei einem Seminar?

Also, ich sage mal, es gibt natürlich unterschiedliche Leute, die mit unterschiedlichen Vorerfahrung kommen. Es gibt auch viele, die schon vorher Seminare bei mir gemacht haben, also auch schon ein bisschen was kennen, aber es gibt eben auch die, die vielleicht das zum ersten Mal machen. Manchmal mache ich auch Inhouse Veranstaltungen, wo ich dann mit dem ganzen Kindergartenteam musiziere und da erlebt man immer wieder wie Teilnehmerinnen und Teilnehmer merken, was das für eine besondere Art ist, sich zu begegnen. Gerade, wenn man in einem Team tagtäglich zusammensitzt und immer irgendwelche formalen Sachen zu klären hat, ist es immer auch ganz befreiend mal zu erfahren, wie man sich auch anders begegnen kann. Tanzen und singen spricht ja eine ganz andere Seite in uns an, die uns dann auch ganz anders verbindet. Das erlebt man in dem Seminar mit ganz vielen Fremden und erlebt man aber dann auch mit Leuten, die man kennt. Plötzlich begegnet man sich ganz anders.

Du bist ja Referent der ersten Stunde bei Pädiko. Was hat sich über die Jahre verändert?

(...) Also, ich habe mich natürlich verändert. Ich habe jetzt einen ganz anderen Erfahrungsschatz, von den vielen Seminaren, die ich schon gemacht habe. Viele Seminare habe ich schon mehrfach überarbeitet und als neues Seminar dann wieder angeboten.


Dann ändern sich natürlich die Bedingungen, also Pädiko hat sich auch stark verändert. Als ich anfing habe ich in dem Privathaus der Vorsitzenden von Pädiko, sozusagen in ihrem Wohnzimmer, Musik gemacht. Da habe ich angefangen vor über 30 Jahren und dann ist es ja immer professioneller und immer größer geworden. Mittlerweile ist Pädiko ein mittelständischer Betrieb und die Ausgliederung der Akademie hat das Ganze noch mal wieder auf ein ganz anderes Niveau getragen.


Und natürlich ändern sich auch die gesellschaftlichen Bedingungen. Was wir rasant erlebt haben ist diese Musikrezeption. Wie ist das Verständnis bei den Menschen, dass Musik immer und kostenlos überall verfügbar ist. Also man hat sein Handy und hat jedes Lied. Das ist ja eher ungewöhnlich, wenn es ein Lied aus der Fortbildung bei Spotify nicht gibt. Das hat sich schon ganz grundlegend verändert.


Um beim Thema gesellschaftliche Veränderungen zu bleiben: Es gibt ja viele gesellschaftliche Diskussion über Kinderlieder – was früher okay war, geht jetzt nicht mehr, richtig?

Ja, das Klassische Beispiel sind ja die 10 kleinen N*lein, da gab es in den 70er/80er Jahren schon gesellschaftliche Diskussionen und bestimmte Lieder wurden nicht mehr gesungen. (...) Ich hab auch ein Beispiel wo mir das passiert ist. Ich habe ein Lied gemacht das heißt “Heiraten” und da geht es um Tiere, ein Igel sucht sich eine Igel Frau und ein Bär sucht sich eine Bärenfrau, weil sie ja eben auch nur so Kinder bekommen können. Das ist jetzt auch schon 15 Jahre alt und als ich es geschrieben habe ging es mir um Tiere und Naturerfahrungen und das, was da wichtig ist. Zum Beispiel, dass ein Bär keine gemeinsamen Nachkommen mit einer Katze zeugen kann. Mittlerweile kann man dieses Lied aber eben auch nicht mehr wirklich singen. Da hatte ich gerade neulich wieder eine Diskussion mit einer Ausbilderin der Erzieherfachschule. Sie hätten jetzt so viel in den letzten 10/15 Jahren zur gendergerechten Erziehung und Diversität gemacht, dass man das nicht mehr so singen könne.

Ich habe bei dem Lied natürlich überhaupt nicht an so etwas gedacht. Ich bin auch für die Gleichstellung von allen möglichen Familienformen und wollte damit nicht sagen, dass immer nur die Frau und der Mann sich verheiraten sollen.

Oder vielleicht möchte der Bär ja gar keine Kinder haben.

*lacht* Genau! Jetzt haben viele ja auch ein Jahr lang Zuhause gesessen und da sind viele Lieder entstanden. Unter anderem viele Lieder über Pandemie/Corona und da wird gerade ganz viel diskutiert was kann man da eigentlich machen, was darf man Kindern zumuten und was nicht. Das ist gerade ganz spannend.


Was wünscht Du Dir, im Bezug auf Musik machen mit Kindern, für die Zukunft?

Also ich wünsche mir erstmal für mich, dass ich das noch viele Jahre, im Grunde bis an mein Lebensende so machen kann. (...) Ich bin gerade in der Generation im Umbruch von Vater zu Opa. Und das wünsche ich mir für mich, dass ich da würdig reinwachsen kann mit meinem Beruf. Ich mache ja auch viel mit Bewegung, tanzen und springen bei meinen Konzerten und das werde ich vermutlich in 10 Jahren nicht mehr so können. Ich hoffe aber, dass ich immer noch auf der Bühne, auf Veranstaltungen und im Seminar sein kann und dabei authentisch und glaubwürdig bin und das machen kann, was mir Spaß macht. Das wäre jetzt für mich der persönliche Wunsch.

Allgemein zum Thema Musik: Es wurde ja jetzt viele Jahre lang geforscht und diverse Studien gemacht, wie wichtig Musik in der Erziehung und Entwicklung ist. Wenn man sich die ganze Pandemie-Geschichte anguckt, ist das alles wieder weg. Es gibt ja kaum etwas, was gerade so ein großes Problem ist, wie das Singen zur Zeit, obwohl alle immer betonen wie wichtig das für Kinder ist. Vielen sagen leider “singen ist gefährlich und deshalb machen wir das jetzt erstmal nicht” und man geht bei der Argumentation nicht vom Singen aus wie “wir müssen das Singen irgendwie möglich machen, weil es wichtig ist.” Da ist glaub ich noch viel zu erreichen.


Dann würde ich mir wünschen, dass das Kinderlied, was ja mein Genre ist und der Gegenstand mit dem ich mich mein Leben lang beschäftige, in der kulturellen Hierarchie noch mehr anerkannt wird als bisher.

Kinderlieder sind nämlich die Grundlage unserer Kultur und sind mindestens genauso wichtig wie die große Oper oder das Theater. Leider ist das aber in der Realität noch nicht angekommen. Das ist auch so eine Front, an der ich kämpfe.

Zur Website von Matthias: https://www.meyer-goellner.de



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