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Urban Gardening mit Kindern

Nachhaltige kreative Gartenprojekte, die Kindern die Natur nahebringen – darum geht es in Heide Bergmanns "Urban Gardening mit Kindern". Wir haben mit ihr über die Herausforderungen des Klimawandels, die Umsetzung der Gartenprojekte im Kita-Alltag und den Lerneffekt gesprochen.


Wie sind Sie darauf gekommen ein Buch darüber zu schreiben?

Ich habe in der Öko-Station Freiburg viele Projekte mit Kindern und Jugendlichen ins Leben gerufen, zum Beispiel “Das grüne Klassenzimmer.” Bildung für nachhaltige Entwicklung war in meiner Tätigkeit immer ein zentrales Aufgabenfeld. Deshalb hat mich der Herder Verlag gefragt, ob ich für seine neue Reihe „Zukunft leben – Welt gestalten“ ein Buch über Urban Gardening für Kitas schreiben wolle.


Vor welchen Herausforderungen stehen wir als Gesellschaft und welche Rolle spielt Urban Gardening dabei?

Der Klimawandel ist mittlerweile deutlich spürbar. Ob wir das 1,5 Grad Ziel erreichen, ist die Frage, mit all den Folgen, die sehr erschreckend sind: Die Biodiversität ist rückgängig, die Bodenfruchtbarkeit nimmt ab, die Überfischung der Meere, das Insektensterben, Hunger und soziale Ungerechtigkeit – all das sind zunehmende, globale Probleme. Ein relativ großer Teil der Ursache für die Klimaerwärmung ist, neben Mobilität und Energieverbrauch, die Ernährung. Wenn man sich überlegt, was z.B. der Fleischkonsum oder unsere Konsumgewohnheiten, im Winter Tomaten oder Erdbeeren zu essen mit sich bringen! Wieviel CO 2 ausgestoßen wird, um Futtermittel zu produzieren und was an Energie verbraucht wird, um Düngemittel und Pestizide zu produzieren, Gewächshäuser zu beheizen und Lebensmittel rund um die Welt zu transportieren – das ist schon ein gigantischer ökologischer Fußabdruck.

Ich glaube, dass wir als Konsumenten zum Klimaschutz etwas beitragen können, z.B. indem wir die Ernährung ändern. Urban Gardening ist da ein gutes Beispiel. Die Urban Gardening Akteur:innen setzen der Verschwendung von Natur und Ressourcen etwas entgegen. Sie bauen selber Lebensmittel an, frisch und in unmittelbarer Nähe ohne Transportwege, ohne großen Energieeinsatz und in Bio-Qualität.



Warum eignet sich Urban Gardening für Kitas?

Was mich begeistert ist, dass es im Urban Gardening sehr viele gute Ideen gibt, viele kreative Anbauprojekte in Kisten, Töpfen, in vertikalen Palettenbeeten, an Häuserwänden und auf Balkonen. Man nutzt kleinste Räume. In der Stadt, wo alles eng ist, hat man ja kaum die Möglichkeit, einen großen Garten anzulegen. Diese Platz sparenden, pfiffigen Ideen finde ich deshalb toll und sie passen super gut in die Kita. Da gibt es ja oft auch nur wenig Platz. Um mit Kindern zu gärtnern reicht schon ein kleiner Raum. Da genügt es schon, einfach drei Kartoffeln mit Erde in einen Sack zu stecken und zu schauen, was dabei herauskommt oder Radieschen in einen Blumenkasten zu säen. Aus der Urban Gardening Bewegung können wir so manche Idee rausfischen und für die Kita umsetzen.


Welche Vorkenntnisse brauchen Erzieher:innen um ein Projekt anzuleiten?

Ein paar gärtnerische Vorkenntnisse wären nicht schlecht. Zu wissen, wie man mit Erde und Pflanzen umgeht, ist eine gute Voraussetzung. Aber was ich noch wichtiger finde, ist die Neugierde und die gemeinsame Idee, die so ein Projekt lebendig macht. Wir könnten so ein Anbauprojekt z.B. aus einer Fragestellung der Kinder heraus entwickeln. Zum Beispiel: “Woraus bestehen eigentlich Spaghetti mit Tomatensoße? Und können wir die Zutaten selber herstellen?” OK, den Käse müssten wir vielleicht dazu kaufen, aber alles andere können wir selber anbauen.


Was die Gartenkenntnisse betrifft: Es gibt für pädagogische Fachkräfte reichlich Infomaterial im Netz. Stiftungen, Ministerien oder Umweltverbände bieten zu diesem Thema Information und Unterstützung an, oftmals kostenlos. Bei Umweltinitiativen oder Öko-Stationen kann man sich beraten lassen, Fortbildungen besuchen oder auch mal mit einer Kindergruppe hingehen und praktisches Gärtnern üben.


Wie nehmen die Kinder das an und was lernen sie dabei?

Zunächst einmal lernen die Kinder woher die Nahrungsmittel kommen und was an Zeit, Geduld und Arbeit dahintersteckt, bis wir sie auf dem Teller haben. Kinder lernen auch Verantwortung gegenüber Natur und Umwelt zu übernehmen. Sie lernen die Zusammenhänge in der Natur kennen und dass eins vom anderen abhängt. Dass das Verhältnis Mensch – Natur sehr komplex ist. Wenn wir Menschen Raubbau an der Natur betreiben und sie zerstören, gibt sie uns nichts mehr zurück. Beim Gärtnern können Kinder Nachhaltigkeit und vernetztes Denken lernen.


Wie kann Urban Gardening ein fester Bestandteil des Kita-Alltags werden?

Es ist vorteilhaft, wenn eine Person Initiator:in ist. Sie gewinnt dann die anderen dafür. Es müssen nicht alle gärtnern in der Kita, aber alle sollten das Projekt mittragen und akzeptieren. Es sollten unbedingt auch die Leitung, die Eltern und der Träger mitziehen oder zumindest das Projekt gut finden. Außerdem braucht es genügend geeignete Fläche. Man kann z.B. am Haus vor der Kita Hochbeete errichten, Kübel und Kästen aufstellen. Vielleicht gibt es eine Ecke, in der nicht gespielt wird. Dort könnte man ein Beet anlegen, eine Kräuterspirale bauen oder Beerensträucher pflanzen.

Es ist wichtig, dass auch Finanzen bereit gestellt werden. Es muss nicht viel kosten. Eltern spenden zum Beispiel gerne. Man kann auch Sach- oder Geldspenden akquirieren.


Vorteilhaft ist es, wenn das Gärtnern in der Kita einem der Bildungsziele der Einrichtung entspricht, also zum Beispiel „Gesunde Ernährung“ oder „Naturerleben in den Jahreszeiten“. Jeder der einen Garten hat, weiß: Gärtnern macht Arbeit. Deshalb ist es ganz wichtig, dass die Zeiten für die Gartenarbeiten in der Kita fest eingeplant werden. Die meisten Tätigkeiten wie etwa das regelmäßige Gießen im Sommer sollten innerhalb der Betreuungszeit stattfinden.


Was wünschen Sie sich für die Zukunft (im Bezug auf Nachhaltigkeit)?

Das ist eine große Frage *lacht*. Vielleicht, dass die Menschen nicht immer noch mehr wollen. Viele haben gerade jetzt in der Pandemie auf Balkonen oder im Beet gegärtnert, ein bisschen Gemüse oder Kräuter für sich angebaut und das als beglückend empfunden. Do it yourself ist ja sehr zeitgemäß und viele junge Leute entdecken das für sich und wollen autonom werden.


Wenn wir von Bildung für nachhaltige Entwicklung sprechen, muss das keinen Verzicht beinhalten. Es wäre kein guter pädagogischer Ratgeber, wenn wir sagen würden: „Angesichts des Klimawandels müssen wir verzichten!“. Vielmehr sollten wir näher hinsehen und schauen, was wir gewinnen. Was erfahren wir an wesentlichen Dingen? Natur ist immer wieder anders, neu, spannend, vielfältig und voller Wunder. Diesen Reichtum zu erleben und ihn zu behüten, bringt einem vielleicht mehr Freude, als der materielle Reichtum. Es ist leicht, Kinder dafür zu gewinnen, weil sie von sich aus neugierig sind, Lust auf Neues haben und was ausprobieren wollen. Genau dafür ist Urban Gardening ganz prima geeignet!







 

Heide Bergmann ist Pädagogin, Gärtnerin und Autorin. Über 30 Jahre arbeitete sie bei der Ökostation in Freiburg und machte zahlreiche Projekte mit Kindern, Jugendlichen und Hobbygärtnern. Dabei erlebte sie immer wieder: “Wer staunen kann, die Sinne öffnet und sich berühren lässt, wird die Natur verstehen und erfolgreich gärtnern.”

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