Ein Artikel von Konflikttrainerin Martina Kohrn
In manchen Teams läuft es: Feedback geben und annehmen. Ich kenne Teams, da herrscht untereinander eine offene und vertrauensvolle Atmosphäre. Es wird angesprochen, wenn der eine von der anderen genervt ist – oder umgekehrt. Das Ganze mit Humor und auch wenn der Ton mal rauer geworden ist, als er eigentlich sein sollte, wird sich entschuldigt und sich gegenseitig verziehen. Dann kenne ich Teams, da geschehen viele Dinge hintenrum: Nehmen wir an, die Kollegin Brigitte ist furchtbar genervt von der lauten Art von Lea. Anstatt mit ihr zu sprechen oder dies zu akzeptieren, geht sie zu Anne und beschwert sich bei ihr. Hintenrum werden die Augen verdreht, die Chance, sich ein Feedback auf persönliche und fachliche Verhaltensweisen zu geben, wird vertan.
Und dies ist nicht nur im Alltag gängig. Auch in Teamsitzungen werden organisatorische Dinge besprochen, (fachliches) Feedback aber bleibt aus.
Und natürlich gibt es Teams, da liegt es irgendwo dazwischen. Feedback ist in Teams, in denen keine Feedbackkultur herrscht, ein komplexes Thema und die Ursache kann an verschiedenen Punkten liegen. Spannend finde ich trotzdem, dass von allen Workshops, die ich bis dato gegeben habe, der am schlechtesten gebuchte Workshop derjenige war, mit dem Titel „Wundermittel Feedback“. Immerhin fand eine Teilnehmerin den Weg zu mir und wollte Methoden für ihre Seminare kennenlernen. Warum das so ist: Ich kann natürlich nur spekulieren. Aus vielen Kommentaren in Seminaren und Gesprächen in Coachings und auch aus Kommentaren bei Social Media habe ich einige Vermutungen. Was ich so höre, und lese ist:
Wir haben sowieso keine Zeit uns gegenseitig Feedback zu geben
Ich möchte kein Feedback, ich nehme das immer zu persönlich
Ich gebe kein Feedback, die anderen nehmen das immer viel zu persönlich
So richtig traue ich mich nicht, Dinge anzusprechen
Ach, immer so viel Negatives. Bei uns wird eh nur das Negative erwähnt
Die Leitung fördert die Feedbackkultur nicht, weil sie überfordert mit vielen anderen Dingen ist oder darauf keinen Fokus legen möchte oder es vielleicht auch gar nicht wahrnimmt.
Was machen also Teams, bei denen es mit dem Feedback läuft, anders als Teams, bei denen eine Feedbackkultur nicht gelebt wird?
Um dir zu zeigen, wie nützlich Feedback ist, möchte ich dir ein Beispiel von mir erzählen: Vor vielen Jahren – zu Beginn meiner Zeit als Trainerin – habe ich ein Seminar besucht, in dem es um „Wirkung und Körpersprache“ ging. In einer Übung wurden wir auch mit einer Kamera aufgenommen und als wir uns die Aufnahmen anschauten, fiel mir etwas auf, was mir bis dato nicht bewusst war. Ich wackelte die ganze Zeit mit dem Kopf hin und her. Ich fragte mich, ob ich das häufiger mache, wenn ich vor Menschen stehe. Bei dem Gedanken muss ich immer noch schmunzeln. Aufgefallen wäre mir das nie, wenn ich nicht Feedback von der Dozentin und die Bestätigung ihrer Beobachtung durch die Kameraaufnahme bekommen hätte.
Wir alle haben unsere blinden Flecken. Das ist unvermeidlich. Feedback ist also immer genau dann interessant, wenn es deine blinden Flecken betrifft. Und die kennst du nun einmal nicht.
Ergo: Feedback hilft dir dabei, diese zu entdecken und an ihnen zu arbeiten. Schließlich hast du die Wahl: nehme ich das Gesagte an oder eher nicht.
Ich könnte bis heute noch mit dem Kopf wackelnd vor Gruppen stehen, habe mich aber entschieden, daran zu arbeiten und bin der Dozentin für das Feedback sehr dankbar.
Übersetzt heißt Feedback „rückfüttern“ und genau darum geht es beim Feedback: Eine Wahrnehmung der anderen Person zu spiegeln. Kennst du diese Zerrspiegel, die es auf Jahrmärkten gibt? Du schaust in diese hinein und bist verzerrt, mal ganz groß, mal breit, mal klein. Und so kannst du dir es auch mit dem Feedback vorstellen. Letztendlich ist das Feedback wie ein Zerrspiegel. Es gibt eine Situation, aber je nach Ansicht deines Gegenübers wirst du verschiedene Feedbacks erhalten. Ein Feedback ist also immer auch ein Spiegel der anderen Person.
Damit sind wir auch bei einer wesentlichen Feedbackregeln gelandet: Bedanke dich für das Feedback und rechtfertige dich nicht, denn du kannst entscheiden, was du mit dem Feedback machst und ob du es annimmst – oder eben nicht. Vielleicht denkst du jetzt: "Na, du hast gut reden. Wenn mir meine Chefin ein Feedback gibt, dann möchte sie auch, dass ich umsetze, was sie zu mir sagt." Hier musst du genau hinschauen, ob es ein Feedback ist oder aber eine konkrete Forderung beinhaltet.
Warum es manchen Menschen so schwer fällt, Feedback zu geben oder anzunehmen, kann vielfältige Gründe haben. Vielleicht wissen sie nicht, wie sie die Dinge ansprechen sollen. Vielleicht fehlt aber auch das Selbstbewusstsein, der Mut oder im Team eine Kultur, Dinge offen anzusprechen. Wenn du merkst, dass es dein Selbstbewusstsein betrifft, möchte ich dir ans Herz legen, an dir zu arbeiten (durch Seminare, Coachings, Bücher, ausprobieren) und mutig zu sein. Für das fehlende Wissen und die fehlende Teamkultur habe ich ein paar Gedanken und Tipps mitgebracht:
WWW – Wahrnehmung, Wirkung, Wunsch/Weiter so
Diese Methode ist eine der klassischen Methoden zum Thema Feedback. Ein Beispiel: Du ärgerst dich, dass deine Kollegin in dieser Woche mehrmals zu spät zur Arbeit gekommen ist. Du könntest die Augen verdrehen, es akzeptieren oder es ansprechen: „Beate, du bist die letzten drei Tage eine halbe Stunde zu spät zur Arbeit gekommen. Dadurch ist es morgens in der Bringsituation sehr chaotisch gewesen und ich war überfordert. Ich wünsche mir, dass du pünktlich kommst.“
Geh-Spräche
Fehlt das Vertrauen im Team, ist es sinnvoll, dieses zunächst zu stärken. Eine Methode können die Geh-Spräche sein. „Ich führe viele Gespräche nur noch im Gehen, insbesondere die schwierigen. Also sozusagen Geh-Spräche“, sagte vor einiger Zeit der Chef einer Abteilung zu mir. Wir kamen auf die Vor- und Nachteile dieser Art Gespräche zu führen. Ich selbst führe auch viele Coaching- und Beratungsgespräche im Gehen, als Teamleitung bin ich aber gar nicht auf die Idee gekommen, Feedbackgespräche im Gehen zu führen. Beim Gehen ist es ein viel lockeres Miteinander und es entstehen viele neue Gedankengänge. Warum also diese Methode nicht auch mal in Teamsitzungen mit gezielten Fragen einsetzen oder aber Gespräche mit Mitarbeitenden oder Kolleg:innen im Gehen führen?
Peer Feedback
Eine weitere Möglichkeit Feedback zur persönlichen Entwicklung zu bekommen ist das Peer Feedback. Beim Peer Feedback trifft sich eine Gruppe von Kolleg:innen zu einem bestimmten Zeitpunkt und es gibt eine Person, die Feedback entgegennimmt und die anderen, die Feedback zu einer bestimmten Fragestellung geben. Peer Feedback ist eine moderierte Methode und daher sehr hilfreich und alles bleibt daher sehr geordnet.
Wie sieht es bei dir mit deinem persönlichen Feedbackverhalten aus und wie ist der Status Quo im Team? Mach eine ehrliche Bestandsaufnahme für dich und mit deinem Team und schau auch, was du schon geschafft hast und was im Team geschafft wurde. Was läuft schon richtig super und wo gibt es noch das Potential, Feedback in eure Leben zu holen?
Ich wünsche dir viel Spaß und Erfolg dabei, Feedback zu geben und an Feedback zu wachsen!
Martina Kohrn bringt Menschen in der Online-Ausbildung zum/zur "Konflikttrainer:in" bei in Konflikten ruhig und gelassen zu bleiben und dieses Wissen weiterzugeben. Nach vielen Jahren in der stationären und ambulanten Kinder- und Jugendhilfe, stärkt sie außerdem seit einigen Jahren Teams und Mitarbeitende für Ihren Arbeitsalltag in Resilienz, Stress und unterstützt bei Lösungen in Konflikten.
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